„Palästinenserinnen müssen stark bleiben“

„Palästinenserinnen müssen stark bleiben“


Die palästinensische Archäologin und Anthropologin, Dr. Iman Saca, spricht im Interview über die Rolle der Frau in Palästina, Bildung als Schlüssel zur Befreiung und warum Hoffnung und Engagement auch in schwierigen Zeiten unverzichtbar sind.

Titelbild: Die Wissenschaftlerin Dr. Iman Saca hat auch den Vorsitz im Beirat des Caritas Baby Hospital © CBH

Bildung, Befreiung und Zukunftsperspektiven: Dr. Iman Saca, Vizepräsidentin für Lehre und Forschung an der Bethlehem Universität, spricht im Interview über die Lage der Frauen in Palästina. Sie freut sich besonders über den hohen Anteil gut ausgebildeter Frauen in Führungspositionen der Kinderklinik.  

Wie hat die Forschung Ihr Verständnis für die Herausforderungen palästinensischer Frauen beeinflusst? 

Als Archäologin und Anthropologin habe ich gelernt, Dinge aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Beruflich und gedanklich tauche ich in eine Kultur ein und versuche zu verstehen, wie die Menschen Dinge betrachten und ihr Leben führen. Dadurch habe ich ein besseres Verständnis für Kulturen entwickelt und gelernt, kulturelle Diversität wertzuschätzen. Zudem habe ich einen großen Teil meines Lebens außerhalb Palästinas verbracht. Dort war ich doppelt gefordert, um erfolgreich zu sein: als Frau und als Mitglied einer ethnischen Minderheit. Dies hilft mir heute, die Herausforderungen von Frauen im gesellschaftlichen und politischen Kontext Palästinas besser zu verstehen.  

Wie verschlechtert sich aktuell die Lage für Frauen? 

Die politische Situation und die Besatzung betreffen alle Palästinenser, egal ob Mann, Frau oder Kind. Sie schaffen ein System der systematischen Unterdrückung, die uns auf allen Ebenen behindert und bremst, insbesondere wirtschaftlich. Daher bedeutet eine Lösung der politischen Lage auch eine Lösung meiner eigenen Situation als Frau. Befreiung ist ein übergreifender Prozess, in dem wir auch wirtschaftliche, gesellschaftliche und kulturelle Fragen berücksichtigen müssen. Wir müssen unsere Stimme erheben, uns gesellschaftlich engagieren und rechtlich aktiv werden – nicht nur für Frauen, sondern für alle Palästinenser.

Welchen Einfluss hat Bildung auf die Rolle der Frau?  

Bildung ist der entscheidende Weg, um sich zu befreien und für Rechte zu kämpfen. Bildung durchbricht viele Barrieren. Frauen erlangen durch Bildung zudem wirtschaftliche Unabhängigkeit und können ein würdevolles Familienleben führen. Eine gebildete Frau ist eine starke Frau, die sich den Realitäten unseres Lebens stellt und die nächste Generation in eine bessere Zukunft  führt. An der Bethlehem Universität fördern wir Frauen gezielt, indem wir ihnen Wissen und Fähigkeiten vermitteln, damit sie gleichberechtigt mit Männern lernen  und sich weiterentwickeln können. Wir versuchen, ein förderndes, unterstützendes und sicheres Umfeld für Frauen zu schaffen, insbesondere für benachteiligte Frauen. Etwa vier Jahre lang habe ich die jungen Frauen hier als Studentinnen an der Uni – das ist meine Chance, sie als Mensch und Person fürs Leben zu stärken.

Erkennen Sie dieses Empowerment auch im Caritas Baby Hospital?  

Das Besondere am Caritas Baby Hospital ist der hohe Anteil an Frauen in Führungspositionen. Sie leiten diese Institution auf vielen Ebenen sehr effektiv. Das ist eine wunderbare Errungenschaft, die sehr geschätzt wird. Als Frau und als Vorsitzende des Klinikbeirats bin ich besonders stolz auf dieses unterstützende Umfeld. Allgemein prägen Frauen die Organisationskultur in vielerlei Hinsicht – vor allem durch ihr hohes Mitgefühl und ihre Bereitschaft, sich für andere einzusetzen. Zudem zeichnen sie sich durch ausgezeichnete Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten aus. All das hilft ihnen dabei, die Herausforderungen der Mütter und Familien zu verstehen, die während der Behandlung ihrer Kinder im Caritas Baby Hospital Hilfe suchen.  

Welche Chancen sehen Sie für die Zukunft?

Palästinensische Frauen müssen stark bleiben, ihre innere Kraft bewahren und sich trotz aller Herausforderungen fokussieren. In den nächsten zehn Jahren sehe ich mehr gebildete – und dadurch unabhängige – Frauen. Ich erwarte mehr Frauen in Führungspositionen, die den Wandel und die Befreiung Palästinas aktiv vor antreiben.  

 

Das Interview führte Shireen Khamis, Leiterin Öffentlichkeitsarbeit des Caritas Baby Hospitals


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