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Muttertag: "Meine Tür ist immer offen"


Die Stärkung der Frauen ist ein zentrales Thema in der Mütterabteilung im Caritas Baby Hospital. Wafà Musleh, selbst Mutter von drei Kindern, leitet den Bereich. Sie nennt ihren Beruf ein „Herzensanliegen“.

Seit fast 20 Jahren arbeitet Wafà Musleh im Caritas Baby Hospital in Bethlehem, erst als Sozialarbeiterin; seit 4 Jahren leitet sie die Mütterabteilung. Bis zu 50 Frauen können in schlichten, aber einladenden Mehrbettzimmern übernachten, während ihr Kind hospitalisiert ist. So sind die Mütter nah bei ihren kleinen Patienten. Gleichzeitig will die Mütterabteilung den Frauen aber auch ausserhalb des gewohnten Familienalltags die Möglichkeit geben, zu Kräften zu kommen.

Basiswissen für junge Mütter 

Jeden Morgen steht nach einer kurzen Teamsitzung ein thematischer Impuls für die Mütter der stationär aufgenommenen Kinder auf dem Programm. Darin wird Basiswissen vermittelt, das junge Mütter beschäftigt, zum Beispiel: „Wann muss ich mit meinem Kind bei Fieber zum Arzt?“ oder „Was ist eine postnatale Depression?“. Die Vorträge werden von Mitarbeiterinnen des Caritas Baby Hospital oder externen Fachpersonen gehalten. Das neu erworbene Wissen können die Frauen in ihrem Verwandten- und Bekanntenkreis weitergeben.   

„Für nachhaltige Veränderung ist das entscheidend“, weiss Wafà Musleh. Regelmässig kommen Vertreterinnen des palästinensischen Gesundheitsministeriums, die über den verbindlichen, landesweiten Impfplan informieren, über Brustkrebs aufklären oder Zusammenhänge zwischen Erbkrankheiten und Verwandtenheirat aufzeigen. „Wir können auf ein grosses Netzwerk zurückgreifen“, freut sich Wafà Musleh. Je nach Anliegen verweist die Leiterin der Mütterabteilung die Frauen an andere Stellen, sei es an die Sozialarbeiterinnen des Caritas Baby Hospitals, an Sozialeinrichtungen in der Region oder vermittelt ihnen eine Selbsthilfegruppe.

Gesprächsbedarf wegen vielfältiger Probleme 

Diese Netzwerkarbeit ist auch in den Einzelgesprächen sehr wichtig. Häufig ergibt sich aus dem thematischen Impuls am Morgen der Bedarf, gewisse Aspekte in geschütztem Rahmen zu vertiefen. „Die Frauen wissen, dafür ist meine Türe für sie immer offen.“ Sie suchen das Gespräch wegen Problemen in der Ehe, Sorgen um ihr krankes Kind oder weil ihnen der oft bedrückende Lebensalltag im Westjordanland zu schaffen macht.   
Gerade Frauen, die aus Dörfern kommen, haben es häufig sehr schwer. Das Leben ist meist reglementiert, der Kontakt zur Herkunftsfamilie eingeschränkt und für vieles, was uns ganz normal erscheint, brauchen sie die Erlaubnis des Ehemannes. Die Mütterabteilung soll diesen Frauen einen „Lebens-Raum“ bieten, zugleich aber auch über medizinische, psychologische und soziale Themen informieren. „Das ist einzigartig im ganzen Westjordanland. Kein anderes Spital bietet diesen Service an, der zum grössten Teil aus Spenden finanziert wird.“

Als Christin im Heiligen Land 

Wafà Musleh ist in Beit Sahour, einer Nachbargemeinde von Bethlehem aufgewachsen. Viele Mitglieder ihrer Familie sind ausgewandert, haben im Westjordanland keine Zukunftsperspektiven gesehen. „Auch ich habe oft darüber nachgedacht, das Land zu verlassen“, gesteht die Sozialarbeiterin. In der Arbeit und als Mutter von drei Töchtern erlebt die 38-jährige täglich, dass es gerade junge Frauen heutzutage in der Gesellschaft Palästinas nicht immer einfach haben. "Es gibt trotz guter Ausbildung kaum attraktive Arbeitsplätze, besonders nicht für junge Mütter. Heranwachsende Frauen haben in der konservativen Gesellschaft oft noch weniger Freiheiten als männliche Heranwachsende, um nur zwei Beispiele zu nennen.” Aber als gläubige Christin ist es Wafà Musleh wichtig, im Heiligen Land zu bleiben. „Die Geburtskirche ist für mich der Ort, wo ich alle Sorgen deponieren kann und Kraft finde.“ Und diese Kraft teilt sie mit allen, die ihr anvertraut sind. 

Frauen sollen sich wohlfühlen

Wer zum ersten Mal die Mütterabteilung betritt, vergisst fast, dass er in einem Spital ist. Die Räume sind in warmen Beigetönen gehalten, an den Wänden hängen farbenfrohe Bilder. Die Frauen sollen sich hier wohlfühlen. In der Spitalkantine erhalten sie dreimal am Tag eine Mahlzeit; sie schätzen es, dass sie von der Verpflichtung zu kochen entbunden sind. Bis zu 50 Frauen können in der Abteilung übernachten, während ihr Kind hospitalisiert ist.   
Zum einen kann die Mutter so nah und rund um die Uhr bei ihrem Kind sein, sie kann sich aber auch zurückziehen, wenn sie selbst Ruhe braucht. Ausserdem erhalten sie täglich einen thematischen Impuls zu Themen, die für Frauen und Mütter von Bedeutung sind.   
Die Idee, die Mütter mit ins Behandlungskonzept einzubeziehen, wurde schon in den Anfangszeiten des Caritas Baby Hospital praktiziert. Inzwischen übernachten jährlich mehr als 4000 Frauen in der Mütterabteilung. Sie können oft nur einen bescheidenen Anteil an den Übernachtungskosten selbst tragen, daher kann das Angebot nur dank Spenden finanziert werden.

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