Am Ende siegt die Hoffnung - Weihnachtsreportage 2020

Am Ende siegt die Hoffnung - Weihnachtsreportage 2020


Familie Dar Mohammed lebt in Dura im südlichen Westjordanland. Alle drei Söhne leiden unter Cystischer Fibrose. Trotzdem bewältigt die Familie den Alltag voller Energie und Hoffnung. Eine Reportage aus Bethlehem von Andrea Krogmann.

Stoisch sitzt Qais zur Blutabnahme auf der Untersuchungsliege. Der Neunjährige ist hochgewachsen wie sein Vater. Seine schlanke Erscheinung ist Teil seines Krankheitsbilds: Qais leidet, wie seine Brüder Baraa (12) und Ahmed (16), an Cystischer Fibrose (kurz: CF). Die unheilbare Stoffwechselkrankheit produziert zähen Schleim in den Lungen und verstopft die Bronchien. Dies führt zu Bakterienbesiedlung und Entzündungsreaktionen. Die richtige Behandlung kann die Lebensqualität Betroffener deutlich verbessern.

Begleitet durch ein kompetentes Team
 

"Im Caritas Baby Hospital kümmert sich ein Team aus Ärzten, Physiotherapeuten, einer Pharmazeutin, einer Ernährungsberaterin und einer Sozialarbeiterin um 120 betroffene Patientinnen und Patienten im südlichen Westjordanland", erklärt Sozialarbeiterin Rabab Kawwas, die die Familie aus Dura begleitet. Zum Team gehört Dr. Nisreen Rumman, die einzige auf Cystische Fibrose spezialisierte Kinderärztin in der Region. Diesmal ordnet sie für die Dar Mohammeds einen Check der Lungen an. Die Eltern sind erleichtert, dass die Sozialarbeiterin finanzielle Unterstützung zusagt. Alle Tests und Untersuchungen hätten für Qais, Baraa und Ahmed über 450 Euro gekostet. Eine stolze Summe in einem Land, in dem der monatliche Mindestlohn bei umgerechnet 360 Euro liegt. Hilfsbedarf zu erkennen gehört zu den Kernaufgaben der Sozialarbeiterin. Daneben bietet das CF-Team Workshops und Vorträge für Eltern an und bringt Betroffene zum Austausch zusammen.

„Ahmed gab mir Hoffnung“

Anfangs blieb Mutter Sahar mit der Diagnose lieber allein. Die Berichte über lange Krankenhausaufenthalte und den frühen Tod der Betroffenen wollte sie nicht akzeptieren. Ahmed, der Erstgeborene, habe ihr Hoffnung gegeben, sagt sie. „Ich sah, dass er sich gut entwickelt und dachte mir, ich will mich damit auseinandersetzen und nicht einfach warten, bis mein Kind abbaut und stirbt.“

Dann machte sie sich auf die Suche nach Informationen zu CF. Im Internet traf sie auf Patienten, die heute Mitte/Ende Dreißig sind und immer noch ein gutes Leben führen. Seit vier Jahren engagiert sie sich in einer panarabischen Austauschgruppe. „Heute“, sagt sie, „bin ich bereit, meine Hoffnung weiterzugeben, die meine Kinder mir gegeben haben.“

Ein defektes Chromosom ist schuld
 

Wie viele Paare in Palästina, sind Riad und Sahar miteinander verwandt. Heute sprechen die beiden offen über die genetischen Risiken bei Verwandtenehen. Für CF etwa liegt die Wahrscheinlichkeit bei 25 Prozent, wenn beide Eltern Träger der verursachenden Chromosomenveränderung sind. Doch auch beim Zweitgeborenen Baraa wurde CF diagnostiziert. Weitere Kinder wollten sie nicht, bis drei Jahre später Qais kam, ungeplant und auch mit einer CF-Diagnose. Heute zieht der Neunjährige mit keckem Blick an der selbstgebauten „Wasserpfeife“, bestehend aus einer leeren Flasche, einem Schlauch und etwas Wasser – für die Lungen ein besonders gutes Training.

Wenn andere Sahars Ehemann zu einer Zweitfrau raten, um doch noch gesunde Kinder zu haben, zuckt er verlegen mit den Achseln. Sahar sei doch die Liebe seines Lebens. Und: „Das Ersparte möchte ich lieber für Ahmed, Baraa und Qais zurücklegen, als für eine weitere Hochzeit.“

Wichtige Früherkennung

Eine frühe Diagnose und professionelle Behandlung sind für den Verlauf der Krankheit enorm wichtig. Qais und seine Brüder hatten Glück, dass sie früh in das Behandlungsprogramm des Caritas Baby Hospital aufgenommen wurden, das sich als CF-Kompetenzzentrum etabliert hat. Im Vergleich zu vielen anderen Patienten geht es den Jungen gut – auch dank der positiven Einstellung ihrer Eltern. „Wir leben ein normales Leben“, sagt der Vater. „Wir haben die Tatsache akzeptiert und unsere Kinder gelehrt, ebenfalls so zu denken.“

„Natürlich streiten wir uns wie ganz normale Geschwister“, sagt Ahmed. Dann wiederum erinnere man sich gegenseitig an die medizinische Routine. „Wir achten aufeinander“, sagt Baraa, „und ganz oft vergesse ich meine Krankheit“. Dann schnappt er sich, wie seine Altersgenossen, das Handy, um YouTube-Videos zu schauen. Oder fährt mit seinen Brüdern auf der Straße hinter dem Haus mit dem Fahrrad um die Wette.


Kontakt für Redaktionen

Teilen