Mutter Klara sorgt rund um die Uhr für den Kleinen.

Eine Mutter kämpft um ihren Sohn


Klara und ihr Mann freuten sich riesig auf ihr drittes Kind. Doch während der Schwangerschaft wurde beim Baby ein Loch im Zwerchfell festgestellt. Die Mutter, selbst Krankenschwester, wusste sofort, dass der Familie eine schwierige Zeit bevorsteht. 
 

Eine Reportage aus Bethlehem von Livia Leykauf

Ende Mai wird Michael ein Jahr alt. Fast die Hälfte seines jungen Lebens hat er in Krankenhäusern verbracht. Durch ein Loch im Zwerchfell war der Darm in den Brustraum gedrungen. Ein Lungenflügel konnte sich nicht richtig entwickeln. Darum wurde der Junge sofort nach der Entbindung in Hebron operiert. Doch auch nach vier Wochen im Krankenhaus zeigten sich kaum Fortschritte bei der Genesung.

Aus Sorge um das Leben ihres Sohnes drängte seine Mutter Klara darauf, dass Michael ins Caritas Baby Hospital nach Bethlehem verlegt wird. Sie arbeitet dort als Krankenschwester und wusste, dass ihre Kolleginnen und Kollegen die Möglichkeit haben, ihren Sohn von der künstlichen Beatmung zu nehmen, was in Hebron bisher noch nicht gelungen war. Wenig später wurde Michael nach Bethlehem auf die Intensivstation des einzigen auf Kleinkinder spezialisierten Krankenhauses gebracht.

Geduld und Mitgefühl

„Als Pflegefachfrau begreife ich, was solch eine Erkrankung bedeutet. Ich hatte unglaublich viel Angst“, erzählt die 27-Jährige. Oft bereute sie die Entscheidung, Krankenschwester geworden zu sein, weil sie mehr von den medizinischen Vorgängen verstand, als ihr lieb war. Als sie Michael das erste Mal im Krankenhaus selbst den Schlauch für die Magensonde legen sollte, weinte sie und holte eine Kollegin zu Hilfe – obwohl sie genau wusste, wie es geht. „Wenn es dein eigener Sohn ist, den du da behandelst, ist es etwas ganz anderes“, erinnert sich die Mutter von drei Kindern.

Nach vier Monaten konnte der Kleine das Caritas Baby Hospital endlich verlassen. Klara hat unbezahlten Urlaub genommen und pflegt ihren Sohn nun zu Hause. Neben dem Kinderbettchen stehen Infusionspumpe, Sauerstoffgerät und eine Kamera. Diese überträgt ein Bild von Michael auf den Fernseher im Wohnzimmer. „So können die Verwandten ihn sehen, wenn sie zu Besuch kommen.“ Aus Angst vor einer Ansteckung mit Viren wird Michael noch weitgehend abgeschirmt. Zugang zum Zimmer haben nur die Eltern und die kleinen Geschwister. Immer mit Maske. Selbst die erst zweijährige Maria weiß, dass sie auf ihren kleinen Bruder aufpassen muss. „Als Familie sind wir durch die Krankheit sehr gefordert. Wir müssen immer darauf achten, dass die anderen beiden Geschwister nicht zu kurz kommen“, sagt die Mutter.

Nach der langen Isolation

Klara kümmert sich fast rund um die Uhr um Michael. Ihr Mann unterstützt sie. Nachts ist er alle zwei Stunden zuständig, dann wieder Klara, dann wieder er… Klaras Schwester ist ebenfalls ausgebildete Pflegerin, die im Notfall einspringen und auf den Jungen aufpassen kann. Die Großmutter des Kleinen traut sich die Versorgung mit Sauerstoff und Magensonde nicht länger als eine Stunde zu.

Auch wenn die Situation der Familie viel abverlangt, herrscht optimistische Stimmung. In ein oder zwei Jahren habe sich alles ausgewachsen, prognostizieren die Ärzte. Momentan entwickelt sich Michael gut, aber er braucht noch viel Hilfe. Darüber hinaus ist seine gesamte Entwicklung leicht verzögert. Daher beginnt er im Caritas Baby Hospital bald mit frühkindlicher Physiotherapie.

Regelmäßig tauscht sich Klara mit dem Lungenspezialisten des Krankenhauses aus und geht dort zur Nachkontrolle. Auf den Sommer hin, so heißt es, könne die lange Isolation endlich gelockert werden. „Ein Lichtblick“, freut sich die Mutter. Sie schwärmt: „Endlich mal wieder mit Freundinnen einen Kaffee trinken oder mit den Kindern draußen etwas unternehmen – das ist wirklich eine großartige Vorstellung.“ Was sie dann als Erstes mache? „Zusammen in die Kirche gehen und dann bei meinen Eltern ein großes Familienfest feiern. Das steht traditionsgemäß schon lange an.“

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Fotos © Meinrad Schade/KHB

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